WFM-Strategie

Workforce Management im Contact Center, wessen Job ist das eigentlich?

John Casey 5 min Lesezeit PDF-Download
Workforce Management im Contact Center, wessen Job ist das eigentlich?

Ich arbeite derzeit für “The Forum”, eine unabhängige Experten-Community für Best Practices im Bereich Contact Center und Kundenservice. Ein großer Vorteil dieser Tätigkeit ist, dass ich viel herumkomme und Contact Center in ganz Großbritannien, Irland und darüber hinaus kennenlerne. Häufig unterstützen wir Contact Center mit Workshops zum Thema Workforce Management (WFM). Ich fange dabei gern mit der folgenden Frage an: „Wer ist in diesem Contact Center für das WFM verantwortlich?“

Normalerweise zeigen dann alle auf einen bestimmten Kollegen, oder es werden ein paar Namen genannt. Diese Kollegen tragen ohne Ausnahme Jobbezeichnungen wie Ressourcenplaner,  Personaleinsatzplaner, Workforce Analyst oder Workforce Manager.

An diesem Punkt muss ich immer einschreiten und sagen:

"Falsch! Diese Leute haben vielleicht die Verantwortung dafür, dass Planungsaufgaben wahrgenommen und Reports geschrieben werden – aber sie können unmöglich allein verantwortlich sein."

Sie sind schließlich nicht die direkten Vorgesetzten derjenigen Mitarbeiter, die mit den Kunden sprechen, deshalb können sie eventuelle Probleme nicht selbst ansprechen, sondern höchstens andere darauf aufmerksam machen.

Jeder, der für den Kundenkontakt Verantwortung trägt, muss auch eine gewisse Verantwortung für die Personaleinsatzplanung tragen.

Je nach Ihrer Position werden Sie jetzt entweder dasitzen und nicken, oder Sie werden mir sagen wollen, dass ich falsch liege. Lassen Sie mich das Ganze also ein bisschen näher erklären. Schauen wir uns zunächst die Kernaufgaben an, die es in dem Workforce-Management-Team im Call Center gibt. Es kann sein, dass jede der Aufgaben in einer eigenen Abteilung bearbeitet wird, oder dass eine Person mehrere dieser Aufgaben obliegt – das Prinzip ist aber immer ähnlich.

Bedarfsplanung (Forecasting) - wessen Job ist das?

Auch die besten Bedarfsplaner sind davon abhängig, wie der Tag sich entwickelt. Sie erstellen ihre Prognosen auf Grundlage dessen, was sie wissen. Aber wenn mehr oder weniger Mitarbeiter da sind als geplant, wenn die Anrufe etwas länger oder etwas kürzer sind als erwartet, wenn mehr oder weniger Teammeetings stattfinden, dann leidet die Forecast-Genauigkeit. Der Bedarfsplaner ist nicht der, der den Kundenservice und damit die Agenten an den Telefonen managt – deshalb kann er auch nicht allein verantwortlich sein für Abweichungen, die tagesabhängig auftreten können.

Personaleinsatzplanung - wessen Job ist das?

Sobald der Personaleinsatzplaner oder Ressourcenplaner die Berechnung der Bedarfsprognose (Forecast) erhält, erstellt er darauf basierende Schichtpläne. Wenn es in dem betreffenden Contact Center jedoch ein gewisses Maß an Autonomie gibt (wenn etwa Teamleiter oder andere leitende Angestellte im Kundenservice Bereich Jahresurlaub, oder auch kurzfristig andere Abwesenheiten genehmigen können), dann kann es immer sein, dass sich der Plan noch einmal wesentlich verändert – und damit auch automatisch die tagesabhängige Leistung.

Echtzeitmanagement - wessen Job ist das?

In vielerlei Hinsicht ähnelt das Real-Time-Management (Echtzeitmanagement) der Personaleinsatzplanung. Es kann aber sein, dass auch andere Mitarbeiter außerhalb des WFMs einen Einfluss auf die Ressourcenplanung für das Contact Center haben: wenn etwa Mitarbeiter ad-hoc andere Aufgaben bekommen, Pausen verschoben werden, Vier-Augen-Gespräche oder Teammeetings anberaumt (oder abgesagt) werden.

Dieser Zusammenhang dürfte klar geworden sein.

Oft ist es einfach unpraktisch, jede kleine Abweichung vom Plan vom Workforce-Management-Team absegnen zu lassen. Das würde vermutlich schnell dazu führen, dass es einen Berg von Anfragen gäbe, die darauf warten würden, bearbeitet zu werden.

Dieses Problem kann man nur lösen, indem man dafür sorgt, dass möglichst viele Leute im Contact Center das notwendige Wissen haben, um Entscheidungen zu fällen, die grundsätzlich mit denen des Workforce Managements übereinstimmen. Es müssen gar nicht mal exakt dieselben Entscheidungen sein. Ein bisschen Hintergrundwissen kann aber sehr hilfreich sein, damit alle zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.  

>> Kennen Sie die Grundlagen für erfolgreiches Real-Time-Management im Contact Center? 

Leitung des Kundenservice - wessen Job ist das?

Über das, was aktuell im Kundenservice passiert, werden die Teamleiter immer besser Bescheid wissen als diejenigen, die die Ressourcen planen.

Denn die Teamleiter arbeiten ständig mit den Agenten. Sie bekommen das Feedback und die Informationen darüber, welche Art von Anrufen reinkommt (oder, bei ausgehenden Anrufen, welche Art von Antworten die Agenten kriegen) und ob es irgendwelche Abweichungen gibt. Dieses Feedback ist entscheidend, wenn man in Zukunft Prognosen (Forecast-Genauigkeit) verbessern und Personaleinsatzpläne anpassen möchte.

Wenn Teamleiter jedoch auch nur einen Teil dessen, was sie da sehen, in Planungsergebnisse übersetzen können, und die Auswirkung ihrer Entscheidungen abschätzen können, dann erst können sie auf das gemeinsame Ziel hinarbeiten: die Kunden bestmöglich zu unterstützen.

Der Kundenservice muss stetig der Versuchung widerstehen, in die Personaleinsatzpläne hineinzupfuschen. Wenn man unter Druck gerät, ist das natürlich die naheliegende Reaktion: schnell ein paar Änderungen machen, um den Stress kurzfristig zu mindern.

Manchmal gibt es einfach Momente, in denen nicht genug Mitarbeiter da sind, um den Bedarf zu decken – und es gibt auch keine Alternative. Das ist dann „geplante personelle Unterbesetzung“. Jede inoffizielle Bastelei am Personaleinsatzplan würde das Problem dann nur verschieben, den Plan zerstören und letztlich für den gesamten Tag noch mehr Stress erzeugen.

Sie denken jetzt vielleicht, dass das dem vorigen Absatz ein wenig widerspricht. Deshalb möchte ich auf einen wichtigen Unterschied hinweisen: 

  1. kluges Abwägen der Auswirkungen eigener Entscheidungen
  2. dem spontanen Umschmeißen des offiziellen Plans.

Personalmangel hat manchmal einen Grund. Hier will ich nochmal auf meinen Punkt zurückkommen, dass alle Mitglieder Grundkenntnisse über den Planungsprozess haben sollten. Mitarbeiter, die dieses Wissen haben, können besser erkennen, wenn es vernünftige Gründe für einen solchen Mangel gibt.

Fazit

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass wir die Auffassung ändern müssen, Service Level-Probleme fielen ausschließlich in die Verantwortung des Workforce Managements. Personaleinsatzplanung im Contact Center ist ein funktionsübergreifender Prozess, und die Personaleinsatzplaner sind darin nur ein Puzzleteil im Gesamtbild.

Sie sind verantwortlich für die Analyse, die am Anfang des Prozesses steht, und dem Rollout des Plans. Anschließend aber sind sie nur noch eine Partei von vielen in dem funktionsübergreifenden Bestreben, die Kundennachfrage zu bedienen.

Wichtig aber ist: Ihre Mitarbeiter im Workforce Management wissen, wie sich Änderungen auf Kundenservice-Ebene auf das Service Level auswirken – und genau dieses technische Wissen müssen sie effektiv an die Agenten kommunizieren.

Ein paar Tipps für unterwegs:

  1. Überlegen Sie, wie Sie Stoßzeiten kenntlich machen können, in denen das Service Level plangemäß unter Druck gerät. Überlegen Sie auch, wie Sie den gesamten Tag darstellen.
  2. Unterstützen Sie das Kundenservice-Team so, dass es auch mal den Mut hat, mit Änderungen am Plan zu warten. Machen Sie allen klar, dass der wahrgenommene Stress Teil des Plans sein kann.
  3. Zu guter Letzt möchte ich betonen, dass diese Kommunikation weit wichtiger sein kann als alle technischen Planung-Skills.

Schichtpläne werden meist mehrere Wochen im Voraus erstellt und veröffentlicht. In sehr wenigen Contact Centern können Sie ein oder zwei Tage im Voraus noch sinnvoll angepasst werden.

Und weil die Kundennachfrage nun einmal keine unveränderliche Größe ist, passen die Pläne nur selten exakt zum Nachfrage-Profil.

Deshalb wird es immer Zeiten geben, in denen die gefühlte Service-Nachfrage übermäßig hoch ist. Aber wenn alle den Schichtplan verstehen, können sie gemeinsam daran arbeiten, dass sie effektiv mit den Warteschlangen umgehen. Auf die stressigen Intervalle werden dann wieder Momente folgen, in denen die Mitarbeiter durchatmen können.

Beginnen wir also einen wichtigen und regelmäßigen Dialog mit allen Mitarbeitern, damit wir alle die Gründe dafür verstehen, warum Schichtpläne so aussehen, wie sie aussehen. Und um darüber zu diskutieren, was jedes Mal passiert, wenn kurzfristige Entscheidungen getroffen werden müssen. Nur so können wir Best Practices definieren, die uns weiterbringen.  

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