Einige Contact Center erreichen immer wieder eine hervorragend Forecastgenauigkeit, während andere daran scheitern. Was unterscheidet die einen von den anderen? Dieser Frage möchten wir in diesem Blogbeitrag auf den Grund gehen.
(Dieser Blogbeitrag ist eine grobe Zusammenfassung des Buchs “Contact Center Management on Fast Forward: Succeeding in the New Era of Customer Experience”, von Brad Cleveland, Contact Center und Workforce Management Experte.)
Wann spricht man eigentlich von einem “genauen” Forecast?
Wie genau muss Dein Forecast sein? Wie viel Abweichung gilt noch als genau? Wie so häufig ist die Antwort: Es kommt darauf an. In diesem Fall kommt es auf die Teamgröße an.
Der Hintergrund liegt in der zu erwartenden Arbeitslast. Während große Teams (100 Mitarbeiter und mehr) stabile Workload-Muster erwarten können, müssen sich kleine Teams (weniger als 15 Mitarbeitern) mit schwankender Arbeitslast auseinandersetzen. Das macht die Vorhersage für kleine Teams deutlich schwieriger als für große. Deswegen ist in einem solchen Rahmen eine höhere Abweichung von um die 10% akzeptabel. Bei großen Teams sollte hingegen die Abweichung nicht mehr als 5% betragen. Für alle Teams dazwischen ist das Ziel, an die 5% heranzukommen.
Das heißt nicht, dass Dein Contact Center nicht noch bessere Werte anstreben sollte. Falls Du mit Deinem Team aber gerade erst mit, sagen wir, Social Media, anfängst, ist eine grobe Annäherung schon eine gute Basis. Das heißt aber nicht, dass Du da dann stehen bleiben solltest. Deine Prognose beeinflusst alle nachfolgenden Prozesse wie Personalplanung, Einsatzpläne, Budgets, und zu guter Letzt auch die erbrachte Leistung Deines Teams. Deswegen mache die Forecastgenauigkeit zu einer Priorität Deiner Personaleinsatzplanung.
Wie misst man die Prognosegenauigkeit im Call Center?
Es gibt eine heiße Diskussion in der Contact Center Branche, wie denn Forecastgenauigkeit zu berechnen ist.
- (Soll - Ist) / Soll oder
- (Soll - Ist) / Ist
Letztendlich musst Du Dir bewusst werden, was Du ausdrücken möchtest: “Der Ist-Zustand liegt x% unter dem Soll” oder “Der Soll-Zustand liegt y% über dem Ist”.
Wir haben im vorherigen Abschnitt von einer Abweichung von 5% bzw. 10% für kleinere Teams gesprochen. Diese Abweichung muss zwingend auf Intervallebene, nicht auf Tagesebene, betrachtet werden. Über den Tag verteilt können sich Überdeckung und Unterdeckung ausgleichen, so dass die Genauigkeit am Ende des Tages gut aussieht. Ein genauerer Blick in die Intervalle kann dann gravierende Probleme offenlegen.
Diesem Problem begegnest Du am besten mit der sogenannten MAPE-Methode. MAPE steht für “Mean Absolute Percent Error” (Mittlerer absoluter prozentualer Fehler). Sie drückt die durchschnittliche prozentuale Abweichung aus, unabhängig ob die Abweichung positiv oder negativ war.
In der obigen Tabelle wird das Problem nochmals veranschaulicht. Auf Tagesbasis betrug die Abweichung lediglich 0,5% (oder 4.427 prognostizierte Kontakte zu 4.407 wirklich erhaltenen). Auf Intervallebene sind die Diskrepanzen der Prognose und dem Ist-Zustand aber sichtbar. Die MAPE-Methode kommt deswegen auf eine Abweichung von 13,2%, da sie die Vorzeichen auf Intervallebene entfernt hat und den Durchschnitt errechnet hat.
Eine weitere alternative Betrachtung wäre eine Zusammenfassung aller Intervalle, die in einen bestimmten Abweichungsbereich fallen (siehe Tabelle1). Das hat den Vorteil, dass man so Wochen, Monate und sogar Jahre aussagekräftig zusammenfassen kann.
Tabelle1: Vorhersagegenauigkeit nach Intervallen
10 Fehler, die Deine Forecastgenauigkeit beeinträchtigen (und wie Du sie vermeidest)
Das Team um Brad Cleveland hat untersucht, warum manche Contact Center besser forecasten als andere und konnte dabei 10 übliche Fehler ausmachen. Call Center mit schlechter Forecastgenauigkeit machten immer 2-3 dieser Fehler.
Vermeide folgende Fehler, um deine Prognosegenauigkeit zu verbessern:
1. Kein systematischer Prozess
Es gibt zwei vorherrschende Ausreden, warum Contact Center keinen systematischen Forecasting Prozess haben. Die einen sagen: “Unsere Anforderungen sind nicht vorhersagbar. Wir wachsen; wir weiten gerade auf Ominichannel-Betreuung aus; wir führen gerade neue Services ein; Social Media Interaktionen sind nicht prognostizierbar… es ist für uns schlicht unmöglich, einen genauen Forecast zu erstellen.”
Falls Dir das bekannt vorkommt, lass Dir gesagt sein, dass dort draußen viele Contact Center sind, die in einer ganz ähnlichen Situation sind, aber trotzdem die Vorteile einer genauen Prognose genießen.
Die andere Gruppe von Call Centern sieht die Vorzüge eines genauen Forecasts nicht und hält den Aufwand für Zeitverschwendung. Diesen sei gesagt: Der Zeitaufwand wird häufig überschätzt. Aber viel wichtiger ist noch, dass die Zeitersparnis bei der Planung und in der Tagessteuerung den Aufwand locker aufwiegt.
2. Sich nur auf die Forecasting Software zu verlassen
Workforce Management Software wie injixo nutzt historische Daten, um die zukünftige Arbeitslast vorherzusagen. Wenn Du Dich lediglich auf diese Aussagen verlässt, vernachlässigst Du einen großen Teil des gesamten Bildes. Erst wenn Du geplante Marketingaktivitäten oder Maßnahmen, die Deine AHT (Average Handling Time) beeinflussen, der Software mitteilst, kann sie diese mit einbeziehen.
Des Weiteren solltest Du die Methoden, die deine Forecasting Software nutzt, verstehen. injixo zum Beispiel nutzt 40 verschiedene Machine Learning Modelle, um für jeden Use-Case das richtige Modell nutzen zu können. Es gibt aber auch Systeme, die ermöglichen es Dir, gewisse historische Daten stärker zu gewichten als andere. Oder sie erlauben es Dir, Daten, die x% außerhalb des Normalbereichs liegen, zu ignorieren. Sprich mit Deinem Anbieter und lass Dir erklären, wie das System funktioniert.
3. Nicht auf Agenten-Level forecasten
So genau Dein aggregierter Forecast auch sein mag, er wird Dir wenig nützen, wenn Du im Alltag auf spezialisierte Teams zurückgreifst. Wenn Du ein Team von französischsprachigen Mitarbeitern hast, die Service A, B und C abwickeln, musst Du auch die Arbeitslast an französischsprachigen Kontakten, die eine der Services nutzen, prognostizieren.
4. Der Forecast wird auf die leichte Schulter genommen
Wenn Deine Prognose in der Vergangenheit immer wieder deutlich abwich oder niemand die Annahmen, die Deiner Prognose zugrunde liegen, versteht, wird der Prognose im Planungsprozess nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Für Dich heißt das, mache die Forecastgenauigkeit zur Priorität und kommuniziere transparent, wie Du zu den Ergebnissen gelangt bist.
5. Ausnahmen wurden für Dein Forecast die Regel
Energieversorger erhalten eine Menge Kontaktanfragen, wenn ein Sturm die Versorgung unterbrochen hat. Die Finanzindustrie wird mit Anfragen überschwemmt, wenn verwirrende Gebührenänderungen umgesetzt werden. Viele andere Contact Center wurden schon von intern nicht kommunizierten Marketingkampagnen überrascht. All diese Ereignisse haben eins gemein: Sie sind nicht der Standard und sollten deswegen nicht in Deinen Forecast einfließen. Halte bei Deiner Prognose nach Mustern Ausschau. Ergründe bei einzelnen Spitzen in den historischen Daten die Grundursache. Dadurch wirst Du besser in der Lage sein, die Regel von der Ausnahme abzugrenzen.
6. Kein regelmäßiger Austausch mit den anderen Abteilungen
Auswirkungen im Call Center haben ihre Ursachen meistens außerhalb des Centers. Wenn kein Austausch mit den anderen Abteilungen existiert, ist Dein Forecast zum Scheitern verurteilt.
7. Die Planung ist von Wunschdenken geprägt
Wenn Deine Personaleinsatzplanung auf einer AHT von 4 Minuten basiert, diese aber in Wirklichkeit 7 Minuten beträgt, ist die komplette Planung ein einziges Wunschdenken. Sicherlich kann durch Training, straffere Prozesse und bessere Systeme die AHT in die entsprechende Richtung gebracht werden. Die Realität auszublenden, wird aber nicht automatisch bessere Ergebnisse bescheren, geschweige denn Vertrauen in Deinen Forecast wecken.
8. Niemand fühlt sich verantwortlich
So unverzichtbar eine genaue Prognose für das Call Center ist, fühlt sich leider zu häufig niemand wirklich berufen, das Heft wirklich in die Hand zu nehmen. Einen Forecast zu erstellen, ist eine vielschichtige Aufgabe. Verschiedene Datenquellen auswerten, daraus einen verlässlichen Forecast erstellen und gegebenenfalls Abweichungen untersuchen. All das kann nicht nebenbei als Gemeinschaftsprojekt behandelt werden, bei dem sich nachher niemand für das Ergebnis verantwortlich fühlt. Jemand muss die Inhaberschaft für den Prozess haben.
9. Mitarbeiter halten ihre Arbeitsmodi nicht ein
Wenn Mitarbeiter die Arbeitsmodi nicht konsistent nutzen, zum Beispiel den Nachbearbeitungsmodus als Pause nutzen, ist die Genauigkeit Deines Forecasts hinfällig.
10. Nichtbeachtung von personellen und technischen Ressourcen
Eine Prognose alleine macht noch kein Call Center effektiv. Es ist auch wichtig, sicherzustellen, dass genügend Ressourcen wie Mitarbeiter und Technologie vorhanden sind, um den erwarteten Bedarf zu decken. Daher ist es entscheidend, die Prognose mit den benötigten personellen und technischen Ressourcen zu verknüpfen.
Fazit
Die Genauigkeit des Forecasts in Call Centern beeinflusst alle nachgelagerten Prozesse. Deswegen ist es für jedes Contact Center wichtig, eine konstant hohe Forecastgenauigkeit zu erzielen. Vermeide diese Fehler und Deine Prognosegenauigkeit wird sich deutlich verbessern. Das nutzt nicht nur allen nachgelagerten Prozessschritten, sondern stärkt auch Deine Reputation im Center.
Booste Deine Forecasting-Fähigkeiten mit dieser Schritt-für-Schritt Anleitung und überzeuge Dein Team mit noch besseren und genaueren Prognosen.
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