Nehmen wir als Beispiel Georg. Georg ist Betriebsleiter eines Call Centers in der Versorgungsbranche mit 100 Mitarbeitern. Bei der Gründung in den 90er Jahren waren es noch 50. Damals haben noch alle Agenten in festen Schichten gearbeitet und das Arbeitspensum bestand ausschließlich aus Inbound-Anrufen. Heute bearbeitet das Call Center, eine stetig wachsende Anzahl von Emails und betreut nebenbei einige Live Chats. Es gibt sogar ein kleines Team, das Outbound Anrufe organisiert.
Und das Unternehmen wächst weiter. Neue Aufträge werden kurzfristig angenommen, mit Vorlaufzeiten von nur drei oder vier Wochen, was zu Reibungen zwischen dem Analysten für die Ressourcenplanung und den Teamleitern führt. Der Vorstand hat Georg mitgeteilt, dass die Skalierbarkeit erhöht werden soll, um somit dem Wachstum des Unternehmens mit Effizienzsteigerung zu begegnen – und das nicht einfach nur durch zusätzliche Personalbeschaffung. Stattdessen müssen die vorhandenen personellen Ressourcen effizienter eingesetzt und, wenn notwendig, umverteilt werden.
Annika ist die Analystin für die Ressourcenplanung. Sie arbeitet seit ein paar Monaten im Unternehmen. Bevor sie kam, erstellten die Teamleiter die Einsatzpläne mit Excel. Sie informierten die Agenten jeden Freitag nach der Mittagspause über ihre Schichten für die kommenden zwei Wochen. Annika hat nun einige Verbesserungsmöglichkeiten entdeckt, wie sich die Schichtmodelle noch besser an das Arbeitsaufkommen anpassen ließen. Aber sie hat Probleme, die dafür notwendigen Änderungen durchzusetzen.
Wenn in den Hochzeiten des Betriebs ihre Abteilungen unterbesetzt sind, kommen die Teamleiter zu Georg, um ihren Frust abzulassen. Merkwürdigerweise beklagt sich niemand während der Tiefs, wenn die Agenten eigentlich nicht ausgelastet sind. Georg möchte, dass Annika einen ausgefeilteren Planungsprozess erarbeitet und die von ihr vorgeschlagenen Änderungen auch umsetzt, und er will sie dabei unterstützen. Er ist dem Einsatz von Technologien gegenüber offen, je nachdem ob es sinnvoll ist.
In vielerlei Hinsicht illustriert diese Geschichte das klassische Dilemma von wachsenden Call Centern.
Viele Unternehmen haben ihr Call Center beinah ‚aus Versehen‘ eingerichtet, indem sie Büros zusammenlegten – und arbeiteten ansonsten im traditionellen Stil weiter. Dann wachen sie plötzlich und stellen fest, dass das, was früher funktioniert hat, keinen Sinn mehr macht. Die klassischen Schichten von 9 bis 5 Uhr passen nicht mehr zu den Erwartungen an die Kundenbetreuung. Und tatsächlich decken traditionelle Vollzeitschichten die Hoch- und Tiefzeiten der Kundennachfrage nicht mehr ab. Call Center bewegen sich zunehmend in einer Welt der Flexibilität, des Kostendrucks und hohen Wettbewerbs. Hier wird ein gewisses Maß an ‚Flaute‘ in den Einsatzplänen, das bislang niemanden gestört hat, inakzeptabel – entweder weil das Personal effizienter aufgestellt werden muss, oder ganz einfach wegen der erhöhten Kundennachfrage.
Das Fazit dieses Szenario ist: Das Workforce Management, das Planungsteam und das Betriebsteam müssen eine Vorgehensweise und im Grunde auch eine gemeinsame Sprache finden, die ihre Zusammenarbeit effizienter macht. Dem Workforce Management Analysten oder Planer mögen Zahlen etwas sagen. Wenn dieser jedoch versucht, sie den Teamleitern zu erklären, klingt das für die vermutlich wie eine Fremdsprache.
Bei der Planung geht es um Zahlen. Oft gibt es dafür aber keine gemeinsame betriebsübergreifende Sprache. Das ist einer der Gründe, warum Kommunikationsfähigkeit für den modernen Planer absolut unabdingbar ist. Die Rolle des Planers geht über die Zahlen in Excel-Tabellen hinaus. Er muss dem ganzen Betrieb dabei helfen, diese Zahlen auch zu verstehen und zu interpretieren.
Der erste Schritt für den Planer wäre es, die Zahlen zu prüfen und das Unternehmen davon zu überzeugen, dass die Einsatzpläne neu eingestellter Agenten einem flexibleren Schichtmodell folgen sollten. Auch die Pläne der alten Angestellten müssten diesem neuen Modell angepasst werden. Wenn das Unternehmen offen dafür ist und anerkennt, dass diese Veränderungen notwendig sind, wird das spürbare Verbesserungen sowohl für die Mitarbeiter als auch die Kunden haben. Das Arbeitsaufkommen im Call Center ist selten konstant, hektische und ruhige Phasen wechseln sich in der Regel ab.
Eine innovative Gestaltung der Einsatzpläne gibt Ihnen die Freiheit, das schwankende Arbeitspensum gleichmäßig zu verteilen.
Und gehen Sie nicht vorschnell davon aus, dass keiner ein Interesse daran hat, seine Schichten zu tauschen. Sie wissen das erst, wenn Sie nachfragen. Die klassischen Vollzeit-Schichten sind nicht jedermanns Sache, und trotzdem werden sie von den meisten Leuten aus Mangel an Alternativen akzeptiert. Es könnte sogar sein, dass Mitarbeiter kündigen, weil sie davon ausgehen, dass es keine Schichten gibt, die zu ihrem Lebensstil passen. Gehen wir also zuerst davon aus, dass es einen unerschlossenen Markt gibt. Wir können uns von den Beschränkungen des Status Quo freimachen, um dann zu prüfen, an welcher Stelle wir einen Kompromiss anstreben könnten.
Fragen Sie ihre Mitarbeiter also nicht, wann sie arbeiten können - sondern wann sie nicht arbeiten können. Auf dieser Informationsgrundlage können Sie dann kleine Änderungen an den Schichten vornehmen, um der Kundennachfrage noch besser zu entsprechen. Es ist eine winzige, aber bedeutsame Veränderung in der Formulierung: Selbst, wenn niemand gern länger als 18 Uhr bei der Arbeit bleibt, könnte es doch sein, dass ein Agent ein Schichtende um 19 Uhr in Kauf nimmt, solange er regelmäßig einmal die Woche früher los kann, um seinen persönlichen Interessen nachzugehen.
Kommen wir zurück zu der Szene in Georgs Call Center. Wenn man bedenkt, wie klein das Call Center ursprünglich war, wie die Geschäftszeiten waren und dass es nur einen einzigen Kommunikationskanal gab – dann ist es kein Wunder, dass hier zunächst mit Excel gearbeitet wurde. Die Einsatzpläne zu erstellen dauerte nicht lange, und bei dem kurzen Arbeitstag waren sie letztendlich auch verhältnismäßig effektiv.
Bislang dachte man in Georgs Unternehmen also “Excel ist gut genug”. Allmählich aber setzt sich ein neues Denken durch, nämlich: „Wir sollten vielleicht mal über ein Workforce Management System nachdenken.“ Das liegt nicht allein daran, dass das Call Center gewachsen ist, sondern ist auch eine Folge der erhöhten Komplexität, der Schwankungen und des Gebots, mit weniger Ressourcen mehr zu leisten. Was die Größe betrifft, gibt es keine eindeutige Regel, wann genau der Punkt erreicht ist, an dem eine Workforce Management (WFM) Lösung ein Muss ist.
Meiner Erfahrung zufolge sind etwa 100 Agenten ein guter erster Indikator. Diese Zahl sollte man sich aber nicht isoliert anschauen. Wird in dem Call Center nur von Montag bis Freitag und zu den normalen Geschäftszeiten gearbeitet, kann der Planer leicht auch mehr als 100 Agenten mit Excel-Tabellen verplanen. In einem Multi-Skill Center, das auch außerhalb der Kern-Arbeitszeiten operiert, kann die Komplexität schon bei weniger als 100 Agenten den Einsatz einer Workforce Management (WFM) Lösung rechtfertigen. Wenn die Arbeitsbelastung schwankt, die Arbeitszeiten sich über den „Nine-to-five“-Betrieb ausdehnen und wenn die Betriebsmodelle sich verändern, dann ist ein Planer kaum noch in der Lage, die Einsatzpläne nur mit Excel zu erstellen. In Multi-Skill-Umgebungen ist es sogar eine Herausforderung, nur den Jahresurlaub mit Excel zu verfolgen.
Effiziente Gestaltung von Multi-Skill-Einsatzplänen hingegen ist mit Tabellenkalkulation praktisch unmöglich.
Sobald ein Unternehmen WFM in Erwägung zieht, lautet die zentrale Frage, welche Ansprüche es an die Software hat. Es gibt eine Vielzahl an Lösungen, die alle eine große Bandbreite an Vorteilen bieten und in ganz unterschiedlichen Preisklassen spielen. Es ist allerdings schade, zu sehen, wie viel Geld Firmen ausgeben, um die Software am Ende als eine vielgepriesene Lösung für die Jahresurlaubsplanung zu nutzen. Andererseits gibt es Firmen, die Systeme kaufen und später merken, dass Funktionen, die sie unbedingt brauchen, um ihre Planung effizienter zu machen, leider nicht enthalten sind – oder nur als teure Zusatzoption zu erwerben ist, die extra hinzugekauft werden muss. In dem Szenario, das ich hier beschrieben habe, gibt es zwei unabdingbare Anforderungen:
1. die Fähigkeit, besser mit schwankenden Kontaktvolumina umzugehen
2. neue Szenarios zu modellieren.
Als dritten Punkt könnte man die Möglichkeit hinzunehmen, die Wirkung von Echtzeit-Entscheidungen auf Leistungskennzahlen darzustellen, und zuletzt die Fähigkeit, optimale Schichtmodelle für neue Mitarbeiter zu modellieren.