Die Employee Experience (EX) gewinnt neben der Customer Experience (CX) in deutschen Unternehmen zunehmend an Bedeutung und wird zu einem Faktor, der über den Fortbestand eines Unternehmens mitentscheiden kann. Wie gelingt es aber, eine gute Balance zwischen Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit herzustellen?
Der Online-Handel war, ist und bleibt einer der großen Treiber für mehr und mehr Serviceanfragen, die über Serviceeinheiten, die sogenannten Call- oder Contactcenter, abgewickelt werden. Wo früher im lokalen Geschäft gekauft und auch dort informiert, nachgefragt, reklamiert und umgetauscht wurde, sind heute Website, Onlineshop, Mailadresse und Telefonnummer die ersten Anlaufstellen.
Die Digitalisierung - sowohl von Produkten (Anzeigen, Musik, Fotos, ...) als auch von Prozessen (digitaler Self-Service, Payment, …) - tragen ihren Teil dazu bei. Deshalb ist der Bedarf an Mitarbeitern in den deutschen Call- und Contact Centern ungebrochen hoch. Die einzelnen Kontakte zum Endkunden, zum Verbraucher und zum User werden komplexer, anspruchsvoller - und in Zeiten sinkender Markentreue - wichtiger.
Contact Center spüren es jeden Tag: Es gibt zu wenige Mitarbeiter. Das Thema „Mitarbeiter finden und binden” scheint die Unternehmen zu beschäftigen. Scheint - aber ist es auch wirklich so?
Wenn es schwer ist, gutes Personal zu finden, dann sollten doch alle Themen rund um das Thema Mitarbeiter riesigen Anklang finden. Doch habe ich in meinen Arbeitsalltag und im Gespräch mit meinem Publikum bei Vorträgen immer das Gefühl, dass das Thema Mitarbeiterzufriedenheit oder -entwicklung auf weniger Interesse stößt als Themen rund um das Kundenverständnis.
Manchmal trügt das Gefühl, doch es wurde durch handfeste Zahlen untermauert: die Webinare zum Thema Customer Experience wurden häufiger gebucht als Webinare zum Thema Mitarbeiter.
In einer Umfrage, die wir im Sommer 2019 durchführten, zeigte sich außerdem: Manager ordneten die Kundenzufriedenheit mit 86 % als Top Priorität ein. Die Mitarbeiterzufriedenheit schaffte es nur mit 48 % auf die Prioritätenliste - dabei waren sogar Mehrfachnennungen möglich. Die Managementprioritäten liegen also klar beim Kunden.
Sollte nicht der Mitarbeiterzufriedenheitsindex mittlerweile die wichtigste Unternehmenskennzahl sein? Doch Investoren, Aktionäre oder Vorstände lassen sich noch immer kaum davon beeindrucken.
Doch warum kümmern wir uns nicht genug um unsere Mitarbeiter? Schließlich gibt es mehr offene Stellen als Mitarbeiter, und dennoch hegen und pflegen wir sie oftmals nicht so sehr wie es angebracht wäre.
Unternehmen verharren häufig noch in alten Strukturen und hierarchischem Denken. Hohe Mitarbeiterzufriedenheit wird in Deutschland oftmals immer noch mit Kuschelecken und Schmusekurs assoziiert.
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Die Veränderung wird erst nach und nach kommen, doch sie kommt, das ist klar. Während derzeit noch die Mehrheit der Arbeitnehmer damit aufgewachsen ist, ihr Leben in den Job zu integrieren, findet hier eine Bewusstseinsveränderung statt: Der Job muss zum Leben passen bzw. ins Leben integriert werden.
Die Millennials und Gen Z ziehen in die Arbeitswelt mit neuen Vorstellungen ein. Und auch die Generation Golf lässt sich längst nicht mehr mit dem Drill der 90er-Jahre beeindrucken, als es noch angesagt war, 60 Stunden und mehr zu arbeiten. „Wir arbeiten, um zu leben” wird das neue Mantra der Arbeitnehmer. Bleiben dabei die Bedürfnisse des Kunden zukünftig auf der Strecke?
„Nicht der Kunde kommt zuerst. Kümmern Sie sich um Ihre Mitarbeiter, dann werden die sich um Ihre Kunden kümmern.” Sir Richard Branson
Ich wünschte, es wäre wirklich so einfach wie Sir Richard sagt. Es hat sich auch schon einiges getan - insbesondere in den Contact Centern Deutschlands. Wenn ich an meine ersten Besuche in den Serviceeinheiten deutscher Unternehmen denke, konnte ich damals nur zu gut verstehen, warum von einer Servicewüste Deutschland gesprochen wurde und warum der Beruf des Call-Center-Agenten so unbeliebt war.
Die Arbeitsplätze erinnerten mehr an Legebatterien als an ein produktives Arbeitsumfeld, mit einer immensen Taktung an Anrufen und einem unheimlichen Lärmpegel - hier konnte man nicht wirklich einen empathischen und freundlichen Mitarbeiter erwarten.
Mittlerweile gibt es sehr viele gute Beispiele an Unternehmen, die sowohl auf technischer, physischer als auch sozialer Ebene Arbeitsplätze schaffen, die zum Arbeiten einladen. Kurz: ein Umfeld, in dem sowohl die Laune als auch die Zufriedenheit steigt - und damit einhergehend die Produktivität.
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Doch die Ansprüche werden größer: Genauso wie die Customer Satisfaction dem gesellschaftlichen Anspruch nicht mehr genügt, und eine Customer Experience erwartet wird, so wird auch von Unternehmen erwartet, dass sie Erlebnisse für ihre Mitarbeiter am Arbeitsplatz schaffen: ein inspirierendes Umfeld, flexible Arbeitszeiten, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, eigene Entscheidungsfreiräume, ansprechende Angebote und Wertschätzung.
Hierzu sagt Dr. Ferri Abolhassan, Service-Chef der Deutschen Telekom: „Tadelloser Service kann nur gelingen, wenn wir unseren Kunden und unseren Mitarbeitern zuhören und dabei unser Handeln konsequent an ihren Bedürfnissen ausrichten – Es gilt bei aller Digitalisierung, der Mensch macht den Unterschied. ” - ich finde, er hat absolut Recht!
Der Mitarbeiter ist der Dreh- und die Technologie der Angelpunkt. Die beste Technologie hilft wenig, wenn der Mitarbeiter einer Beschwerde-Hotline nicht empathisch reagiert. Zudem ist laut einer PWC-Studie in Deutschland der Anteil der Kunden, der mit einem Menschen interagieren will, am höchsten - er liegt bei 84 %.
Freundliche und kompetente Mitarbeiter, die im Zweifelsfall auch selbst eine Entscheidung im Sinne des Kunden und somit im Sinne des Unternehmens treffen dürfen, sind für guten Kundenservice essentiell wichtig.
Gut funktionierende Technologie ist jedoch ebenfalls eine Grundvoraussetzung für zufriedene Kunden. Ob Datenmanagement, Kaufverhalten oder Logistikinformationen, so viele Daten kann kein Mensch verarbeiten. Hier unterstützt uns Technologie, um Kundenerlebnisse schaffen zu können - ein reibungsloser Kaufprozess ist dabei die Grundlage, der ohne Technik niemals funktioniert.
Doch nicht nur für die CX brauchen wir die richtige Technologie, auch für die EX. Gleiche Bewertung, gleiche Goodies und gleiche Anreizsysteme für alle. Insbesondere in agilen Unternehmen ist es wichtig, die Performance zu ermitteln und festzuhalten. Wenn Manager nicht mehr nach Anwesenheit beurteilen sollen, werden neue Messgrößen gebraucht und es muss resultatbezogen gearbeitet werden.
Hier stellt sich ganz allmählich ein Paradigmenwechsel in den deutschen Büros ein.
Das Mitarbeitermanagement muss weiter gewährt sein, damit Feedback eingesammelt, die Entwicklung sowie Resultate dokumentiert und Arbeitszeiten geplant werden können.
Wenn beispielsweise Schichten abzudecken sind, kann nicht immer nur der besonders nette Kollege die Spätschicht übernehmen, während die Schnellen sich stets die beliebtesten Schichten greifen. Für all das braucht es die passende Technologie, die als Basis des Zusammenarbeitens dient.
Bei allen neuen positiven Strömungen sollte bedacht werden, dass die Unternehmenskultur mehr denn je zum Menschentyp passen muss. Nicht jeder möchte einen mobilen Arbeitsplatz oder flexible Arbeitszeiten, manche mögen und brauchen mehr Struktur als andere.
Wichtig ist, dass die Mitarbeiter sich wohlfühlen und ein Gefühl echter Verbundenheit zwischen Unternehmen und Mitarbeiter herrscht, denn nur so wird der Arbeitsalltag wirklich zu einer positiven Erfahrung.
One doesn’t go without the other: Es geht hier definitiv nicht um ein „entweder CX oder EX”, sondern um ein Miteinander: Es gibt keine herausragende Customer Experience ohne die Mitarbeiter, die das Unternehmen vertreten, das Produkt verkaufen oder den Service meistern.
Es ist also kein Dilemma. Um außergewöhnlichen Kundenservice zu bieten, brauche ich außergewöhnliche Mitarbeiter, die ihre Arbeit mit Freude ausführen. Zufriedene Kunden und zufriedene Mitarbeiter stehen in direkter Korrelation und bedingen sich.
Es gibt immer mehr Untersuchungen, dass die Performance von Unternehmen in direkter Verbindung zur Mitarbeiterzufriedenheit steht. Doch diese enge Verbindung ist bisher noch zu wenig in Kennzahlen und Zielvereinbarungen verankert.
Das sollte sich ändern: Ein Kundenserviceleiter sollte immer auch die Zufriedenheit seiner Mitarbeiter im Blick haben, die Marketingleitung sollte die Zielgruppe der Mitarbeiter auf den Plan rufen und der Vorstand muss hellhörig werden, wenn ein Großteil der Belegschaft ständig Überstunden macht oder die Fluktuation steigt.