Mitarbeiterbindung

9 Tipps, um die “Great Resignation” zu meistern

Chris Dealy 7 min Lesezeit PDF-Download
9 Tipps, um die “Great Resignation” zu meistern

Gibt es viele unbesetzte Stellen in Deinem Contact Center? Hast Du ständig mit Personalmangel zu kämpfen? Wenn ja, dann bist Du nicht allein. In den USA gibt es 5 Millionen mehr offene Stellen als Arbeitslose. Zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen gibt es eine ähnliche Situation auch im deutschsprachigen Raum. Contact Center hatten schon immer Probleme, Mitarbeiter einzustellen und zu halten, und so ist es nicht verwunderlich, dass sie in dieser Krise im Mittelpunkt des Geschehens stehen.

Eine der Hauptursachen für dieses Problem ist die sogenannte “Great Resignation”, ein Begriff, der 2021 von Dr. Anthony Klotz, Professor für Betriebswirtschaft an der Texas A&M University, geprägt wurde. Die "Great Resignation" ist dadurch gekennzeichnet, dass eine große Zahl von Arbeitnehmern freiwillig ihren Arbeitsplatz verlässt, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern. Sie ist ein Nebeneffekt der Covid-19-Pandemie, in der wir alle Zeit hatten, über unsere Prioritäten nachzudenken und von den Vorteilen vom Home-Office zu profitieren. Dabei handelt es sich um ein globales Phänomen, welches noch Jahre andauern wird.

Wie sollten Contact Center auf diese Resignation reagieren? Gehaltserhöhungen sind keine nachhaltige Lösung. Diese können einen Teufelskreis aus Personalbeschaffung und Fluktuation auslösen, wenn es mehrere Contact Center im nahen Umfeld gibt. Auch unrealistische Erwartungen an die Karriereentwicklung sind kein langfristiger Weg: Es ist verlockend, bei allem, was man tut, die Agenten in den Mittelpunkt zu stellen. Dieser Ansatz wird vorübergehend eine mögliche Kündigungswelle eindämmen. Wenn jedoch die einseitige Konzentration auf die Mitarbeiter dazu führt, dass das Kundenerlebnis leidet und die Personalkosten explodieren, möchte niemand auf lange Sicht in Deinem Contact Center arbeiten.

Wir haben mit vielen erfahrenen WFM-Managern in Contact Centern gesprochen und daraus einige Tipps für Dich zusammengestellt.

1. Verbessere Dein Echtzeit-Management

Unterdeckung und hohe Fluktuation erschweren eine präzise Planung, die sich an Bedarfsspitzen, Wochen oder Monate im Voraus orientiert. Das bedeutet, dass es umso wichtiger ist, bei der zeitnahen Planung (einige Tage im Voraus) und bei der Tagessteuerung (innerhalb eines Tages) ganz vorne mit dabei zu sein. Mehr denn je ist ein "Reaktionsplan" erforderlich für mehr Disziplin in Deinem Echtzeit-Management. Du brauchst eine Strategie für den Umgang mit Personalmangel, die damit beginnt, dass Du Mitarbeiter aus dem Back-Office in das Front-Office umplanen, Schwund-Ereignisse wie Sitzungen und Schulungen absagen oder verschieben und Überstunden anbieten kannst. Wenn Du das Glück hast, am Ende des Tages eine Überdeckung zu haben, solltest Du den Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, früher Feierabend zu machen.

2. Führe flexible Arbeitszeiten ein

Es wird immer schwieriger, Anträge auf flexible Arbeitszeiten abzulehnen - ohne Kündigungen zu riskieren. Es ist sogar wahrscheinlich, dass in Zukunft flexible Arbeitszeiten gesetzlich vorgeschrieben werden können. Studien zeigen immer wieder Vorteile der Einführung flexibler Arbeitsregelungen auf:

  • Anziehung von Spitzentalenten - 87 % der Menschen wollen flexibel arbeiten, bei jungen Menschen sind es sogar 92 %.
  • Eine hoch motivierte, produktive Belegschaft - 9 von 10 Arbeitnehmern halten flexible Arbeitszeiten für einen wichtigen Motivationsfaktor für ihre Produktivität am Arbeitsplatz und stufen sie wichtiger als finanzielle Anreize ein. Die Arbeitgeber berichten von einer erhöhten Mitarbeitermotivation und verbesserten Beziehungen zu den Beschäftigten.
  • Ein wettbewerbsfähigeres Geschäftsumfeld - eine Umfrage zu den Beschäftigungstrends ergab, dass 99 % aller befragten Unternehmen der Meinung sind, dass flexible Arbeitskräfte für die Wettbewerbsfähigkeit, die Aussichten auf Unternehmenswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen entscheidend oder wichtig sind.

Es ist klar, dass das Zeitalter der starren Arbeitszeiten für alle zu Ende geht. Das schafft Chancen, sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer.

3. Überdenke Einstellungs- und Schulungsprozesse

Viele Contact Center berichten, dass die Personalfluktuation bei neu eingestellten Mitarbeitern am höchsten ist. Dies ist kein neues Phänomen. Ein guter Tipp ist, Stellenausschreibungen und Bewerberauswahlkriterien nicht auf einer idealisierten Vorstellung vom perfekten Mitarbeiter aufzubauen. Dies schränkt einerseits die Zahl der Bewerber ein. Andererseits kann das auch Bewerber anlocken, die feststellen, dass die Stelle nicht ihren Ambitionen entspricht und vorzeitig kündigen. Ziehe stattdessen in Erwägung, die Merkmale leistungsstarker Agenten zu analysieren, die treue Mitarbeiter geblieben sind, und suche nach Kandidaten mit ähnlichen Eigenschaften. 

Was die Schulung betrifft, so ist es ratsam, einen "Big Bang"-Ansatz zu vermeiden. Vor allem, wenn Du vermutest, dass neue Mitarbeiter noch vor Ende der Probezeit das Unternehmen verlassen könnten. Überlege stattdessen, die Schulungen über mehrere Monate aufzuteilen. Dadurch kannst Du die Mitarbeiter zunächst in einem Teilbereich schulen und ihre Kenntnisse dann systematisch im Laufe der Zeit weiter ausbauen. Auch die Vorteile für E-Learning anstelle von Präsenzschulungen waren noch nie so überzeugend. E-Learning senkt die Kosten für eine regelmäßig erforderliche Tätigkeit. Außerdem stellt es einen weiteren Vorteil dar, wenn viele Deiner Mitarbeiter remote arbeiten.

4. Maßnahmen zur Reduzierung von Stress und Burnout

Hauptgründe für eine erhöhte Fluktuation in Contact Centern sind starker Stress, überzogene Anforderungen, unrealistische Ziele und eine scharfe Leistungskontrolle. Es ist unmöglich, Stress komplett zu vermeiden. Es ist die Realität, dass manche Anrufe weder angenehm noch einfach sind. Zu Spitzenzeiten wird es immer zu erheblichen Verzögerungen kommen. Und die “Macht des Einzelnen” lehrt uns, wie wichtig es für jeden Mitarbeiter ist, sich an seinen Plan zu halten. Ein guter Forecast und ausgefeilte WFM-Tools können dazu beitragen, Stress und Burnout zu reduzieren. Sie können die Arbeitsauslastung präzise vorhersagen und das Angebot so oft wie möglich an die Nachfrage anpassen. Dadurch wird Unterdeckung minimiert, wodurch die Mitarbeiter sich weniger überfordert fühlen. Professionelles Workforce Management sorgt auch für ein höheres Maß an Vorhersehbarkeit bei der Arbeit, was nachweislich die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöht. Und eine angemessene Auslastungsrate (Occupancy) bei der Berechnung des Mitarbeiterbedarfs trägt dazu bei, die Überbelastung zu reduzieren, die zu Burnout führen kann.

5. Binde Deine Mitarbeiter in die Schichtplanung ein

Den Mitarbeitern wird zunehmend bewusst, dass der Stellenmarkt für Contact Center heute stark Arbeitnehmer getrieben ist. Die Mitarbeiter sind somit in einer starken Position, wenn es darum geht, ein Mitspracherecht bei ihren Schichten zu verlangen. Es liegt auf der Hand, dass ein Chaos vorprogrammiert ist, wenn man unkontrolliert allen Wünschen nachgibt. Du kannst jedoch die Wünsche Deiner Mitarbeiter mit der Servicequalität und den Unternehmenszielen in Einklang bringen. Zunächst solltest Du dafür herausfinden, worauf die einzelnen Mitarbeiter Wert legen. Einige würden gerne mehr Spätschichten im Tausch gegen weniger Wochenendarbeit leisten, bei anderen ist es umgekehrt. Vielleicht findest Du heraus, dass Du diese Präferenzen erfüllen kannst, ohne die Deckung zu verringern. Die Nutzung von Schichtangeboten ist eine weitere Lösung. Dabei handelt es sich um einen Prozess, bei dem die Mitarbeiter Anfragen für Schichten stellen können. Diese sind auf der Grundlage des Bedarfs erstellt, aber noch nicht den Mitarbeitern zugewiesen. So kann das System die Wünsche so genau wie möglich mit den Anforderungen abgleichen. Eine weitere Möglichkeit, Schichten an die Arbeitszeitpräferenzen der Mitarbeiter anzupassen, besteht darin, dass die Mitarbeiter ihre Verfügbarkeiten angeben. Die gute Nachricht ist, dass moderne WFM-Anwendungen einen Großteil des manuellen Aufwands automatisieren können.

6. Bleibe mit Deinen Mitarbeitern im Austausch

Das Engagement der Mitarbeiter kann viele Formen annehmen. Wichtig sind eine gute Teamführung, eine transparente Kommunikation und die Anerkennung von Leistungen. Auch die Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess ist von Bedeutung. Die Mitarbeiter schätzen es, ein Mitspracherecht bei der Planung zu haben. In Punkt 5 haben wir bereits das Wünschen von Schichten und die Verfügbarkeit erwähnt. Auch die Möglichkeit, Freizeit zu buchen oder Schichten mit Kollegen zu tauschen, verbessert nachweislich das Engagement und damit auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Hier erleichtern professionelle WFM-Lösungen diese Aufgaben. Diese ermöglichen es den Mitarbeitern sogar, sich über ihre Smartphones oder mobilen Geräte in die Planung einzubringen.

7. Befähige Deine Mitarbeiter

Gib Deinen Mitarbeitern die Kompetenzen, die Autonomie und die Informationen, die sie benötigen, um ihre Arbeit so zu erledigen, wie sie es für richtig halten. Eine injixo-Umfrage ergab, dass weniger als 50 % der Contact Center ihren Service-Mitarbeitern die notwendigen Entscheidungsrechte und den Zugang zu den relevanten Informationen für einen guten Kundenservice geben. Die Abkehr von Befehlsketten und Mikromanagements erfordert einen Kulturwandel und die Unterstützung durch die Unternehmensleitung. Das geht nicht von heute auf morgen, aber die große Resignation macht die Einbeziehung der Mitarbeiter zu etwas, das jedes Contact Center ernst nehmen sollte.

8. Verbesserung der Arbeitsumgebung

Hier geht es nicht darum, ein schönes Gebäude mit Ruhezonen, kostenlosem Mittagessen und einem firmeneigenen Fitnessstudio zu errichten. Es geht darum, die Art von Unternehmenskultur zu schaffen, die dazu führt, dass Unternehmen mit dem Great Place to Work Award ausgezeichnet werden. Mitarbeiter fühlen sich von Unternehmen angezogen, die mehr als nur Behauptungen zu Vertrauen, Respekt und Fairness verbreiten. Laut einer Umfrage von Great Place to Work haben die besten Unternehmen der Welt eine um 52 % höhere Rate, dass Mitarbeiter bleiben wollen, und 65 % mehr Mitarbeiter, die ihren Arbeitgeber weiterempfehlen würden als der Durchschnitt. Natürlich ist die Zertifizierung als Great Place to Work keine leichte Aufgabe, aber auf lange Sicht ein gutes Investment. Selbst eine scheinbar kleine Initiative, für die Deine Mitarbeiter 30 Minuten pro Monat zur Verbesserung ihres Wohlbefindens aufwenden, kann einen spürbaren Unterschied machen und die Zufriedenheit steigern. 

9. Weiterhin Remote-Arbeit anbieten

Die Covid-19-Pandemie hat bewiesen, dass es möglich ist, ein Contact Center effizient zu betreiben, wenn die Mehrheit der Mitarbeiter von zu Hause aus arbeitet. Und viele Agenten wollen nicht mehr ins Büro zurückkehren. Eine Studie von Microsoft hat ergeben, dass 41 % der Arbeitnehmer erwägen, ihren derzeitigen Arbeitgeber in diesem Jahr zu verlassen. 46 % geben an, dass sie wahrscheinlich den Arbeitgeber wechseln werden, weil sie dann von zu Hause aus arbeiten können. Es ist also sinnvoll, Homeoffice oder hybride Modelle auch nach der Pandemie weiterhin anzubieten.

Fazit und nächste Schritte

Natürlich gibt es viele Strategien, die Contact Center anwenden können, um in Zeiten der “Great Resignation” zu überleben - und sogar weiterzuwachsen. Klar ist aber auch, dass es kein Zurück mehr gibt, sobald die notwendigen Änderungen vorgenommen wurden. Und das ist aus Sicht des Unternehmens, der Kunden und der Mitarbeiter eine gute Sache.

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