Die Prognose für Telefonkanäle ist heute nur noch ein Teil unserer täglichen Herausforderung, die wir als Einsatzplaner oder Forecaster im Contact Center meistern. Bei der Explosion neuer Kontaktmöglichkeiten im Contact Center ist es wichtig, auch für andere Kontaktkanäle Prognosen entwickeln zu können, um das Arbeitsvolumen bestmöglich vorherzusagen und personell abzudecken. In den nächsten Artikeln werden wir einige Non-Call Kanäle näher beleuchten und in Hinblick auf das Forecasting und eine bedarfsorientierte Personalplanung einige Tipps und Beispiele aus der Praxis erörtern. In diesem Artikel starten wir mit einem der am schnellsten wachsenden Kanäle, dem Chat.
Laut einer Benchmark Studie in 2019 zum Thema Workforce Management (WFM), die von injixo unter mehr als 250 Contact Center-Profis weltweit durchgeführt wurde, werden Chat und Social Media immer beliebter und haben sich mittlerweile zu wesentlichen Kontakt und Service Kanälen in vielen Contact Centern etabliert. Infolgedessen sind sie mit zunehmendem Arbeitsaufkommen auch häufiger Gegenstand von Prognosen. Tatsächlich gaben rund 40% der in der WFM-Benchmark-Studie befragten Contact Center an, dass sie den Personalbedarf für Chat-Kanäle regelmäßig prognostizieren und berechnen.
Chatten ist eine oft genutzte Möglichkeit für Kunden, schnell zu einem Service-Mitarbeiter zu gelangen. Heutzutage haben viele von uns wahrscheinlich schon einmal Chat für Supportanfragen verwendet, einfach weil es sehr praktisch und komfortabel ist. Man muss nicht anrufen und Zeit in der Telefonwarteschlange verbringen und darauf warten, dass jemand den Hörer abnimmt. Im Allgemeinen ist die geschätzte Wartezeit für Kunden mittels Chat transparent verfügbar und bekannt, so dass sie wissen, ob sie in der Zwischenzeit etwas anderes tun können, während sie auf eine Antwort eines Service-Mitarbeiters warten.
Der Live-Chat als Kontaktkanal bietet dem Kunden nicht nur Komfort, sondern auch Flexibilität. Ebenso bietet es Contact Center Agenten die Möglichkeit, Kontakte effizienter zu betreuen. Die Effizienz ergibt sich in erster Linie aus der Fähigkeit, mehrere Chats gleichzeitig an einen Agenten weiterzugeben. Wenn ein Contact Center Agent mehr als einen aktiven Kunden gleichzeitig hat, nennt man das "Concurrency". Concurrency ist der Schlüsselfaktor bei der Planung von Live-Chats.
Wenn Du eine Prognose für Live-Chat erstellen möchtest, gehst Du zunächst wie bei einem üblichen Call-Forecast vor. Du solltest Dir Dein historisches Arbeitsvolumen, in diesem Fall eingehende Chats, ansehen, um das erwartete zukünftige Gesamtvolumen zu prognostizieren. Dazu gehört auch die Betrachtung des Wachstums von Jahr zu Jahr und die Berücksichtigung von Saisonalität und Trends im generellen Kontaktvolumen Deines Centers.
Hinzu kommt natürlich auch Business Intelligence, die Du in jegliche Analysen einfließen lassen solltest.
Ein Beispiel hierfür ist eine neue Marketingkampagne oder eine Änderung der Kundenpolitik. In einer Multichannel-Umgebung (d.h. Kunden haben mehrere verschiedene Kontakt-Möglichkeiten und Kanäle zu Verfügung) muss diese Arbeit für jeden Kanal separat erledigt werden. Dabei ist es wichtig, auch auf Trends im Zeitablauf zu achten, wie z.B. eine Verschiebung (oder auch Channel Switch) von Call zu Chat oder E-Mail, wie sie in vielen Unternehmen üblich ist.
>> Möchtest Du mehr über Prognosen im Allgemeinen erfahren? Dann ist unsere Blogpost-Serie zum Thema Forecasting Basics ein Muss.
Kanalwechsel müssen nicht immer eins zu eins sein. Du kannst feststellen, dass Kunden tatsächlich eine höhere Kontaktfrequenz haben, wenn sie die Kanäle wechseln. Dies kann durch einen einfachen Touchpoint erreicht werden. Wenn es Kunden leichter fällt, eher einen Chat als einen Anruf zu starten, können sie mehrere Chats gleichzeitig initiieren. Infolgedessen kann ein Kanalwechsel das Gesamtvolumen verändern.
Berücksichtige und analysiere dabei die Kontaktquote (Contact Rate), sodass Du bei Volumenveränderungen in der Lage bist, Anrufer und Chat-Kontakte zu identifizieren, um zu sehen, ob Kunden tatsächlich einen Kanalwechsel für verschiedene Serviceanfragen vornehmen.
Eine "Kontaktquote" wird einfach berechnet, indem man die Gesamtzahl der Kontakte nimmt und sie durch eine bestimmte Geschäftskennzahl teilt. Ein Beispiel in einer Verkaufs-Umgebung ist die Aufteilung der Kontakte nach Umsatz. In diesem Fall lassen sich Kontakte oder Leads durch den erzielten Umsatz teilen.
Wenn Dein Contact Center einer Versicherungsgesellschaft angehört, lässt sich die Anzahl der Kontakte auch durch die Gesamtzahl der neu gewonnen Mitglieder dividieren. Hier kannst Du sogar noch detaillierter werden und die Kontaktquote für neue Mitglieder (welche möglicherweise eine höhere Kontaktfrequenz aufweisen) im Vergleich zur Kontaktquote für Stammkunden festlegen.
Es ist sinnvoll, die Kontaktzahlen für jeden Kanal zu bestimmen, damit Du weißt, wie Du reagieren musst, wenn Du mit einem Kanalwechsel konfrontiert wirst.
>> Finde heraus, wie Du den Omni-Channel Kundenservice in deinem Contact Center verbessern kannst. Mehr dazu in diesem Artikel.
Nachdem Du die Bedarfsprognose erstellt hast, musst Du im nächsten Schritt die Anzahl der Mitarbeiter bestimmen, die sich um das eingehende Arbeitsvolumen in Form von Live-Chats kümmern. Auch dies beginnt sehr ähnlich wie eine Anruf-Prognose oder Call-Forecast. Wenn Du Tabellenkalkulations-Tools wie Excel verwendest, berechnest Du den Bedarf auf Monatsebene bis hinunter zur Intervall-Ebene. Du kannst die Belegung als Proxy für das Service Level (mehr dazu am Ende des Artikels) für den monatlichen Bedarf verwenden.
Für Intervall-Anforderungen empfiehlt es sich, einen Erlang-C-Rechner oder ein professionelles Workforce-Management-System zu verwenden.
Sobald Du die Basisanforderung hast, musst Du die sogenannte Concurrency oder auch Parallelität insbesondere bei Chat-Kanälen berücksichtigen. Das kann schwierig werden.
Zu Beginn kannst Du davon ausgehen, wie viele Live-Chats ein Agent parallel also gleichzeitig bearbeiten kann. Das wird im Allgemeinen zwischen 1 und 2 Chats liegen, aber es kann sich auch als höher herausstellen, abhängig von dem Unternehmen und dem Markt, in dem Du Dich befindest.
Dein Contact Delivery oder Kontakt-Management System hat einen Schwellenwert, der festlegt wie viele Chats ein Agent gleichzeitig bearbeiten kann.
Als kurze Übung gehen wir davon aus, dass uns maximal 2 Chats gleichzeitig geliefert werden. Wenn also ein Agent bereits 2 Chats offen hat, wird ihm auch kein dritter Chat zur Bearbeitung zugewiesen. Bei der Einstellung von maximal 2 Chats kann es vorkommen, dass man das Concurrency-Level auf 2 setzen würde - aber bevor Du das tust, halte kurz inne. Denk daran, dass diese Angabe das Maximum bezeichnet, nicht den Durchschnitt an Chats pro Agenten. Im Durchschnitt werden die Agenten wahrscheinlich weniger als 2 Chats gleichzeitig führen, je nach Business Anforderungen.
Damit deine Mitarbeiter immer mit 2 Chats gleichzeitig arbeiten, ist es ratsam eine Warteschlange an Chats zu haben, die vom Mitarbeiter in chronologischer Reihenfolge abgearbeitet werden kann. In der Realität wird man immer zu mit ruhigen Phasen und Stoßzeiten zu tun haben, das gilt nicht nur für Calls sondern auch für Chat als Servicekanal.
Möglicherweise hast Du auch Mitarbeiter, die nicht mit 2 Chats gleichzeitig umgehen können und sich darauf beschränken, nur 1 Chat zu bearbeiten. Der beste Weg, die prognostizierte Concurrency oder Parallelität zu bestimmen, besteht darin das historische, tatsächliche Concurrency-Level als Input zu betrachten.
Als Beispiel gehe ich jetzt einmal von einem Concurrency-Level von 1,6 aus. Sollte dies auch ungefähr Deinem Concurrency Level im Contact Center entsprechen, dann benötigst Du beispielsweise etwa 160 Mitarbeiter für Anrufe und 100 für Chat. Grund hierfür ist, dass 100 Mitarbeiter, die jeweils 1,6 Chats bearbeiten, 160 FTE an Chats verarbeiten würden.
Das Concurrency-Level für Live-Chats kann auch Trend- und Saisonalität aufweisen. Wenn Dein Kontaktvolumen schwankt und Du über eine recht flache Besetzung verfügst, kann das Auswirkungen auf die Parallelität haben mit der Chats bearbeitet werden können.
Wenn Dein Contact Center überbesetzt ist, kann das Concurrency Level - also die Parallelität von Chats - sinken, da nicht genügend Volumen vorhanden ist, um Mitarbeiter auszulasten. Wenn Dein Contact Center jedoch unterbesetzt ist, kann die Parallelität, und somit das Concurrency-Level, auch steigen, weil es eine Reihe von Chats gibt, die nur darauf warten von Mitarbeitern bearbeitet zu werden. Kurz gesagt, diese Zahl muss also ständig analysiert und kalibriert werden.
Denk daran, dass die tatsächliche Annahme, die in Deinem Forecast verwendet wird, eine Mischung aus historischem Ist-Zustand und der Anzahl sein sollte, die der Betrieb erwartet, um die Produktivität zu steuern. Wenn es Abweichungen in der prognostizierten Parallelität im Vergleich zur Prognose gibt, schaue nach potenziellen Über- oder Unterbesetzung, um zu identifizieren, ob dies der Treiber ist. In diesem Fall solltest Du das Concurrency-Level möglicherweise nicht anpassen.
Alles in allem hat das Entstehen neuer Kanäle, wie beispielsweise Chat, durch den technologischen Fortschritt im heutigen digitalen Zeitalter, dem Anstieg von KI (Künstliche Intelligenz) und maschinellem Lernen sowie den immer höheren Erwartungen von Kunden an einen schnellen und hervorragenden Kundenservice, die Customer Service Branche nachhaltig geprägt.
Insgesamt ist Chat (sowohl über Chatbots als auch über Live-Chat) ein großartiger Kanal für Kunden, um Dein Unternehmen bequem und flexibel zu erreichen. Gleichzeitig kann der Chat-Kanal Deinem Contact Center helfen, effizienter auf Kundenanfragen zu reagieren.
Eine effektive Planung ist nicht schwierig, erfordert aber eine erhebliche Aufmerksamkeit des WFM oder Personalmanagement-Teams, um die Mengenprognose und den Personalbedarf ständig zu überprüfen. Die Betrachtung von Kanalverschiebung und Parallelität sind zwei wichtige Möglichkeiten, wie Du sicher sein kannst, Deine Prognose im großen Stil zu treffen!
Wir wissen, dass die Auslastung (oder auch Occupancy) eigentlich ein Output ist und kein Input. Aber wenn man Auslastung in der FTE-Bedarfsberechnung berücksichtigt, kann es wirklich helfen, sich einen guten Eindruck von der benötigten Besetzung auf Wochen- oder Monatsebene zu verschaffen.
Aber wie funktioniert das? Wirf in einem ersten Schritt einen Blick auf Deine historischen Daten, um zu sehen, welche Auslastung Du allgemein zu verzeichnen hast, wenn Dein Center das Service Level einhält. Wenn Du bei einem Service Level von 80% eine konstante Auslastung von 85% gegeben hast, dann kannst Du 85% Auslastung in Deine Prognose / Forecast für den Mitarbeiterbedarf einbeziehen.
Dadurch wird das Personal, das zur Erreichung des Service Levels benötigt wird, im Wesentlichen angepasst. In Deiner Anforderung werden alle Effizienzen und Ineffizienzen hauptsächlich mit dieser Methode abgedeckt, da sie auf der Realität basieren.
Wenn sich jedoch die Gegebenheiten ändern, solltest Du diese Korrelation aktualisieren. Achte auf Situationen, in denen Einsatzpläne effizienter oder weniger effizient werden, oder wenn Du eine Änderung vornimmst, die Deinem Contact Center einen anderen Größenvorteil verschafft, und stelle dabei immer sicher, dass Du diese Kennzahl kontinuierlich im Auge hast.
>> Wusstest Du, dass rund 93% der Contact Center die Forecast-Genauigkeit messen, aber nur 53% die Effizienz des Einsatzplans? Erfahre jetzt mehr in unserem brandneuen Contact Center WFM Benchmark-Report.