Das Interesse an Home-Office, insbesondere in der Contact-Center-Industrie, war in den letzten Jahren relativ verhalten. Corona hat das Thema jedoch schlagartig und endgültig auf die Agenda der Contact-Center-Branche katapultiert. Home-Office ist mehr als eine Notlösung in der Pandemie und bietet echte Wettbewerbschancen. Thomas Dehler, Geschäftsführer der GEFTA, beschreibt in diesem Gastbeitrag was Home-Office auszeichnet, welche Chancen damit verbunden sind und was Contact Center im Dauerbetrieb beachten sollten.
Das Home-Office ist überall
Als Home-Office wird im allgemeinen Sprachgebrauch jeder Arbeitsort außerhalb der Räumlichkeiten des Arbeitgebers verstanden. Synonym zu Home-Office wird auch gerne von „mobilem Arbeiten“ oder im englischen von „Remote Work“ gesprochen.
Das Home-Office kann theoretisch überall sein, nur nicht im Gebäude des Arbeitgebers, also der Präsenzfläche des Contact Centers. Arbeitsorte für das Home-Office sind beispielsweise: Zuhause am Küchentisch, im Garten, im Zug, am Strand, im Lieblingskaffee oder in einem Co-Working-Space. Der Phantasie und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Solange Headset, Stromversorgung, Laptop und Internetverbindung sichergestellt sind, könnte theoretisch jeder Ort für die mobile Arbeit genutzt werden.
In der Praxis gibt es allerdings starke Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitsortes. Vor allem bei Tätigkeiten auf Basis von personenbezogenen, schützenswerten Daten, gilt es räumlich und örtlich geltende gesetzliche Auflagen und Rahmenbedingungen zu erfüllen.
Nicht jeder Ort ist für mobiles Arbeiten geeignet
Das Home-Office kann an vielen Orten sein, doch nicht jeder ist für mobiles Arbeiten angemessen oder erlaubt. So kann es bei einem Telefonat zu Irritation führen, wenn im Hintergrund Gelächter, Musik oder Wellenrauschen zu hören sind.
Bei der Wahl des flexiblen Arbeitsortes muss der Datenschutz und die Datensicherheit berücksichtigt werden. Nicht jeder darf die Daten eines Call-Center-Agents sehen oder dessen Gespräche hören. Im Fokus steht der Schutz von personenbezogenen Daten, der in der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DGSVO) geregelt ist und in Deutschland durch das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-neu) ergänzt wird.
Wenn Call-Center-Agents beispielsweise Kundendaten in einem Kaffee, also einem öffentlichen Raum, bearbeiten, wäre das zumindest aus Sicht der DGSVO ein äußerst ungeeigneter Arbeitsort. Doch nicht nur vor Dritten gilt es die Personendaten zu schützen, sondern auch vor Bedrohungen aus dem Netz. Unsichere, öffentliche Internetzugänge oder unverschlüsselte Datenverbindungen zum Unternehmensrechner stellen ein IT-Sicherheitsrisiko dar und sind ein absolutes No-Go. Verschlüsselte WLAN Internetzugänge und sichere VPN Verbindungen helfen, die Risiken für Cyberangriffe zu reduzieren. Als integrierte Datensicherheitslösung bietet sich der Trusted Secure Desktop (TSD) an. TSD ist ein Datensicherheits-Tool, das für die schnelle, sichere und kostengünstige Anbindung von Mitarbeitern im Home-Office entwickelt wurde.
„Home-Office“ sollte vertraglich vereinbart werden
Wenn ein Call-Center-Agent zeitweise von Zuhause arbeiten möchte oder muss, wird hierzu in der Regel keine gesonderte „Home-Office“-Vereinbarung getroffen. Es wird geduldet und stillschweigend angenommen, dass die Regeln, die in den Räumlichkeiten des Contact Centers gelten auch außerhalb der Präsenzfläche Gültigkeit behalten. Die für „Home-Office“ wichtigen Themen wie Arbeitsort, Arbeitszeit, Datenschutz oder technische Infrastruktur bekommen oft zu wenig Aufmerksamkeit.
Im Sinne der Risikominimierung wäre eine vertragliche Vereinbarung hilfreich, die die genannten Punkte und alle weiteren Fragestellungen der Zusammenarbeit an einen Vertrauensarbeitsort konkret regelt.
Work@Home im Contact Center
Home-Office ist die umgangssprachliche Bezeichnung für das gelegentliche Arbeiten außerhalb der regulären Präsenzfläche und wird formal als alternierende häusliche Telearbeit bezeichnet. Bei der Teleheimarbeit hingegen arbeitet der Mitarbeiter regelmäßig bis ausschließlich in den privaten Räumen. In der Call- und Contact-Center-Branche hat sich für diese Form der Telearbeit der Begriff Work@Home etabliert. Hierzu treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine klare Vereinbarung, u.a. zum konkreten Arbeitsort, dem „Telearbeitsplatz“. Für die Ausstattung des Telearbeitsplatzes ist laut Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) der Arbeitgeber verantwortlich.
In der Arbeitsstättenverordnung heißt es dazu: „Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“
Ein Rechtsanspruch auf Home-Office, wie es ihn seit 2015 zum Beispiel in den Niederlanden gibt, existiert in Deutschland (noch) nicht. Allerdings hat der Bundesarbeitsminister im April 2020 einen entsprechenden Gesetzesentwurf angekündigt.
Die verschiedenen Arbeitsorte der Telearbeit in der Kurzübersicht
- Bei der Teleheimarbeit befindet sich der Arbeitsplatz permanent zu Hause. In der Call- und Contact-Center-Branche hat sich in den vergangenen Jahren überwiegend der Begriff Work@Home etabliert.
- Bei der alternierenden Telearbeit hingegen wechseln einzelne Arbeitsplätze. Die Agenten befinden sich teilweise zu Hause und teilweise im Büro. Begrifflich wird auch Home-Office verwendet.
- Beim Satellitenbüro und Nachbarschaftsbüro sind Betriebsabteilungen ausgelagert. Die Arbeitsplätze liegen teilweise oder permanent wohnortnah.
- Beim Teleservicecenter oder Telecenter liegt ein wohnortnahes Dienstleistungsangebot für dezentrale Unternehmen vor. In diesen Centern wird die für die Arbeit notwendige Infrastruktur (Schreibtisch, Internet, etc.) bereitgestellt, wobei die Kosten von verschiedenen Arbeitgebern gemeinsam getragen werden.
- Bei der mobilen Telearbeit sind einzelne oder beliebige Arbeitsplätze teilweise oder permanent an beliebigen Orten. Es wird auch der Begriff Teleaußenarbeit benutzt.
- On-site-Telearbeit bezeichnet die Ausführung von Telearbeit im Gebäude und bei Nutzung der Infrastruktur eines Fremdunternehmens.
Work@Home bleibt, auch nach Corona
Viele Contact Center und Customer-Care Betreiber mussten während Corona ihre Call-Center-Agents gezwungenermaßen ins Home-Office schicken, um arbeitsfähig zu bleiben und gleichzeitig die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Auf diese Weise konnten CC-Betreiber erste Work@Home Erfahrungen sammeln und die Vorteile erkennen.
Insofern überraschen die Umfrageergebnisse, die ProCom-Bestmann im Juni veröffentlicht hat, nicht sonderlich: Demnach planen 74 % der 245 Befragten CC-Experten ihre Agents auch über die Corona-Zeit hinaus im Home-Office arbeiten zu lassen. Die Gründe sind vielfältig, denn Home-Office bietet echte Vorteile und Chancen wie beispielsweise der Aspekt der bedarfsorientierten Arbeit, der gerade im Kundenservice wirtschaftliches Arbeiten und gleichzeitig größtmögliche Kundenzufriedenheit ermöglicht.
Die Standortfrage verliert an Relevanz
Contact-Center, die ihren Mitarbeitern Work@Home anbieten, profitieren von mehr Bewerbern und zufriedenen Mitarbeitern. Die Zahl der potenziellen Bewerber erhöht sich, da die räumliche Distanz und die damit verbundene Arbeitswegzeit keine Rolle mehr spielt. CC-Betreiber können unabhängig ihres Standortes überregional rekrutieren.
Darüber hinaus erhöhen Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Flexibilität und Freiheit einräumen, selbstbestimmt und eigenverantwortlich über den bevorzugten Arbeitsort zu entscheiden, ihre Attraktivität als Arbeitgeber. Im Ergebnis erhöht sich die Mitarbeiterzufriedenheit.
Work@Home erhöht die Produktivität
Call-Center-Agents mit Großraumbüroerfahrung wissen es zu schätzen, in Ruhe konzentriert zuhause arbeiten zu können. Tastaturgeklacker und laute Telefonate können störend sein und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Work@Home-Mitarbeiter können sich den Arbeitsraum individuell gestalten, die Raumtemperatur nach eigenen Wünschen regulieren und dann durchlüften, wenn es nötig ist.
Die eigenverantwortliche Gestaltung der Arbeitsumgebung und Organisation des Arbeitsablaufs erhöhen ebenfalls die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Eine aktuelle Befragung vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik bestätigt die erhöhte Produktivität am Teleheimarbeitsplatz. Demnach fühlen sich knapp 40 Prozent der Befragten produktiver als bei der Arbeit vor Ort.
Präsenzflächen sind limitiert
Durch die Pandemie sind CC-Betreiber angehalten, Mindestabstände zwischen den Arbeitsplätzen zu gewährleisten. Der gebotene Abstand benötigt deutlich mehr Bürofläche. Bürofläche, die nicht vorhanden ist oder zu teuer wäre. Das Zuhause der Mitarbeiter stellt eine schnell umsetzbare Option dar, die Arbeitsfähigkeit unter der Maßgabe des Schutzes der Mitarbeitergesundheit sicherzustellen.
Das Problem lässt sich rechnerisch darlegen: In einem Contact Center mit 400 Agents kann aufgrund der Corona-Beschränkung nur noch rund die Hälfte der Mitarbeiter vor Ort arbeiten. Gleichzeitig nimmt das Anrufvolumen in den Contact Centern massiv zu, da lokale Geschäfte und Filialen geschlossen haben. Die Kapazität müsste folglich sogar auf 600 Agents erhöht werden, um dem erhöhten Verkehrsaufkommen bei gleichbleibendem Qualitätsanspruch gerecht werden zu können. Stattdessen stehen nur 200 Präsenz-Arbeitsplätze in den Räumlichkeiten des Contact-Centers zur Verfügung.
Das Dilemma der knappen Arbeitsfläche lässt sich durch die systematische Umsetzung von Home-Office lösen, indem Call-Center-Agents nicht im Contact Center vor Ort arbeiten, sondern in den eigenen vier Wänden zuhause.
Ist meine Organisation Work@Home-ready?
Vier Punkte gehören in die Beurteilung, ob das eigene Unternehmen fit für Work@Home ist: Neben der Aufbau- und Ablauforganisation, gehören technische und rechtliche Voraussetzungen genauso auf den Prüfstand, wie die Potenziale der vorhandenen und der zu rekrutierenden Mitarbeiter und Führungskräfte.
Nach diesem ersten Check wird klar, wo Chancen liegen, welche Hürden zu umschiffen sind und in welcher Geschwindigkeit sich die Organisation zu einer hybriden, dezentralen Work@Home-Organisation entwickeln kann. Hybrid ist ein Servicecenter dann, wenn es Präsenz- und Telearbeit vereint. Auf der Basis dieser Auswertung werden dann die nächsten Schritte eingeleitet, um die Organisation für die neue Arbeitsform fit zu machen.
1. Organisation und Prozesse auf dem Prüfstand
Gegenstand der Analyse sind die Führungs- und Arbeitsprozesse in der jeweiligen Einheit: Regelmäßige Präsenzmeetings müssen entweder virtualisiert oder an Präsenztagen gebündelt werden.
Papierbasierte Arbeit muss digitalisiert werden, um Datensicherheit und Prozessqualität sicherzustellen. Wer heute am Arbeitsplatz noch einen Aktenordner zum Nachschlagen hat, wird in der Zukunft mit digitalen Daten arbeiten (müssen), da die Logistik zur Verteilung der papiergebundenen Informationen kaum möglich ist.
Für den Kundenservice sind Eskalationspfade im Detail zu beleuchten und Möglichkeiten zu entwickeln, den schnellen Austausch zwischen Kollegen über medial vermittelte Kommunikation (z.B. einen internen Gruppen-Chat) bequem abzubilden.
2. Ohne schnelles Internet ist Alles nichts – die notwendige Technik
Auch wenn sich die Politik die flächendeckende Versorgung auch ländlicher Regionen mit schnellem Internet zur Aufgabe gemacht hat – die Realität sieht in der norddeutschen Tiefebene oder dem Bayerischen Wald doch häufig anders aus. Eine fehlende oder nicht hinreichend schnelle Internet-Anbindung ist ein klares K.o.-Kriterium für Work@Home.
Darüber hinaus gilt es zu untersuchen, welche Programme die Mitarbeiter nutzen und wie diese über eine (sichere) Internetverbindung am heimischen Arbeitsplatz bereitgestellt sowie Datenübertragung, Updates und Backups organisiert werden können. Bearbeiten die Mitarbeiter auch den Kanal Telefon, muss sichergestellt sein, dass Gespräche über VoIP geroutet werden können.
Systeme wie ACD, Workforce Management, Recording und Monitoring gehören auf den Prüfstand, ob und in welcher Form sie dezentrales Arbeiten unterstützen. Erfolgskritische Tools sind Applikationen, die den Austausch miteinander, das Lernen voneinander und die Beziehung zueinander optimal auch in verteilter Arbeit unterstützen. Die technischen Lösungskonzepte für Home-Office brauchen Antworten auf die Fragen, wie der Sozialraum ohne Präsenzfläche aussieht und wie Teamspirit und Austausch erfolgen kann, wenn die Arbeit nicht mehr nebeneinander erfolgt.
3. Was man darf und was nicht – die rechtlichen Komponenten
Mit welchen Daten arbeiten Mitarbeiter? Sind dies „nur“ technische Informationen eines Helpdesks, die in einer Wissensdatenbank gesammelt bereitgestellt werden, sind die rechtlichen Hürden nicht ganz so hoch. IT-Sicherheit sorgt dann dafür, dass Daten nicht ausgespäht werden und dass das Wissen des Unternehmens nicht widerrechtlich abfließen kann.
Wird jedoch mit personenbezogenen Daten gearbeitet, gelten am heimischen Arbeitsplatz dieselben Voraussetzungen wie im Unternehmen: von der Sicherung gegen unbefugten Zutritt oder Zugriff bis hin zur Manipulationssicherheit und Zugriffsdokumentation. Auch arbeitsrechtliche Implikationen gilt es zu beachten, je nachdem ob Work@Home einzelvertraglich oder auf Betriebsebene umgesetzt werden soll.
4. Die Menschen machen den Unterschied
Während die „harten Fakten“ in der Regel leicht zu erfassen sind, ist die Beurteilung, ob Mitarbeiter für die dezentrale Arbeit geeignet sind, komplex. Auf der Basis empirisch belegter arbeits- und organisationspsychologischer Persönlichkeits-Profilings lässt sich heute zuverlässig ermitteln, wer über die notwendige Selbstmotivation verfügt und in der Lage ist, als aktiver Teil einer (neuen) Vertrauenskultur im Unternehmen seine volle Leistung auch am heimischen Arbeitsplatz abzurufen.
Die Ergebnisse aus den vier Handlungsfeldern münden in einen Fahrplan zur Einführung von Work@Home. Die Organisation kann sich dann in mehreren Entwicklungsstufen neu positionieren:
● mit einem Pilotprojekt, um erste Erfahrungen zu sammeln und die Work@Home-Readiness zu testen,
● als hybride Organisation, die Präsenzarbeit und Work@Home flexibel verbindet (und beide Arbeitsformen parallel anbietet) oder
● als vollständig dezentrale Organisation
Über den Autor
Thomas Dehler ist Vordenker und Experte für Home-Office. Seit über 20 Jahren betreibt er selbst für ausgewählte Kernmärkte als Outsourcingpartner Home-Office-Reallabore. Branchenunabhängig bereitet er kleinere und mittlere Unternehmen und deren Belegschaft auf die Dezentralisierung und Arbeitsort-Flexibilisierung vor. Er ist Gründer und Geschäftsführer der GEFTA mbH, die Unternehmen und deren Mitarbeiter ganzheitlich und verlässlich ins Home-Office begleitet. Unter dem Namen „Trusted Secure Desktop“ hat Dehler das bundesweit erste Datensicherheits-Tool für den Betrieb im Home-Office entwickelt.
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